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Der Beginn einer neuen Trainingsgruppe steht kurz bevor. Dieser Umstand bereitet mir Kopfzerbrechen, denn grundsätzlich habe ich lange überlegt, ob wir überhaupt eine „Hundeschule“ für Therapiehunde starten. Meine Bedenkzeit betrug ungefähr vier Jahre.

Warum? Der deutsche Markt bietet über 500 Anbieter im Bereich der tiergestützten Interventionen. 99% davon sind privatwirtschaftlich ausgerichtet. Hundeschulen, private Institute, Vereine (wie wir). Jeder kocht sein eigenes Süppchen, die Anzahl der s.g. „Therapiehundeprüfungen“ steigt ins unermessliche, jede einzelne davon ist vom jeweiligen Anbieter selbst ausgedacht, viele enthalten tierschutzwidrige Elemente.

Die Österreicher sind in dieser Hinsicht weiter. Das tiergestützte Thema, die Therapiehunde, sind dort bereits in Händen des entsprechenden Ministeriums. Die Politik geht Hand in Hand mit Forschung und Wissenschaft. Perfekt!

Natürlich gibt es auch in Deutschland Anbieter, die sich seit Jahren sehr ernsthaft Gedanken machen. Für den Suchenden, der sich mit seinem Hund auf den Weg macht, ist der Markt allerdings leider unüberschaubar.

Daher an dieser Stelle kurz die Klärung der wichtigsten Grundlagen:

  1. Die Ausbildung eines Therapiehundes / Therapiebegleithundes

  2. Qualifizierungsmaßnahmen „Tiergestützte Interventionen“

  3. Sachkundenachweis §11 TierSchG

Der Therapiehund

Das österreichische Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz definiert in seiner Richtlinie für Therapiehunde wie folgt:

„Der Therapiehund ist ein mit seinem Halter und seiner Halterin für die therapeutische Arbeit ausgebildeter und geprüfter Hund, der durch gezielten Einsatz positive Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen mit Behinderung erzielen soll. Der Hund hilft durch seine Anwesenheit und ist Teil des therapeutischen Konzepts.“

Es geht als um den Hund. Wichtig dabei zu bedenken: der Hund ist nicht die therapeutische/pädagogische Fachkraft! Nur den Hund auszubilden reicht nicht!

Was kann ein Therapiehundetraining?

Das  Therapiehundetraining kann sich der bestmöglichen Ausbildung des individuellen Hundes widmen.

In unserem Fall heißt das z.B.

  • eine intensive Vorbereitung auf den DHVE-/BHV-Hundeführerschein,
  • umfassende Wissensvermittlung zu
    • Ethologie,
    • Ausdrucksverhalten,
    • Stressmanagement,
    • Medical Training
    • und vieles mehr, um ein souveräner Hund und ein vertrautes Team zu werden
  • intensives, einsatzspezifisches Coaching!

Fortbildungamaßnahmen „Tiergestützte Interventionen“

An dieser Stelle geht es um den Input für den Menschen. Der Gesetzgeber definiert die Voraussetzung für entsprechende Berufsgruppen, denen die Arbeit am Menschen erlaubt ist. Das sollte die Basis sein.

Für den tiergestützten Kontext benötigt es darüber hinaus mehr, z.B. die Fachkenntnis zu Indikationen, Wirkungsweisen, gesetzlichen Bestimmungen, Hygienemaßnahmen, Zoonosen, Tierschutzethik, Ethologie, Lernverhalten und Training, Durchführung tiergestützter Interventionen, Dokumentation, Evaluation und vieles mehr sowie umfassende, tierartspezifische Sachkenntnis und Praxiserfahrung!

Die IHK Potsdam geht derzeit als erster öffentlich-rechtlicher Anbieter mit einem Zertfikatslehrgang Tiergestützte Interventionen (IHK-Zertifikat) an den Start. Zum Jahresabschluss 2017 erwarten wir den ersten Pilotlehrgang.

Parallel dazu etabliert sich das bundesweit agierende Qualitätsnetzwerk Tiergestützte Interventionen, ein wachsender Verbund von Vereinen, Verbänden und öffentlichen Institutionen. Aktuell dabei sind zum Beispiel der Deutsche Tierschutzbund, der Berufsverband Hundeerzieher & Verhaltensberater e.V., die Jugendhilfe Nordwestbrandenburg e.V., die Kinderschutzengel e.V., die Medizinische Hochschule Brandenburg mit den Ruppiner Kliniken, die IHK Potsdam sowie die Deutsche Gesellschaft für Tiergestützte Therapie e.V.

Sachkundenachweis §11 TierSchG

Dritter und wichtigster Punkt! Niemand im tiergestützten Bereich sollte ohne diese behördliche Genehmigung in Einsatz gehen.

Hier gehts zum §11 TierSchG

Per Definition zählen die tiergestützten Interventionen zum Punkt Tiere im gewerblichen Einsatz, verfeinert zu Tiere im sozialen Einsatz.

Für die Überprüfung zuständig ist das regionale Veterinäramt. Für jede Tierart mit der man arbeitet, ist eine gesonderte Sachkunde nachzuweisen. Je nach Wegstrecke zu den Einsatzorten, muss man sich darüber hinaus zusätzlich um die Transportsachkunde bemühen.

Warum ist der Sachkundenachweis wichtig?

  • Er ist behördlich vorgeschrieben und wird zunehmend überprüft
  • Er ist ein grundlegendes Qualitätsmerkmal
  • Er ist ein Instrument zur Sicherung des Tierschutzes
  • Er kann im Zuge eines Schadens-/Versicherungsfalles abgefragt werden

Was gilt es noch zu beachten?

  • Anbieter, die Therapiehunde ausbilden, benötigen den s.g. „Trainerschein“, die erweiterte Sachkunde nach §11 Abs.8!
    • Achten Sie darauf, wenn Sie mit Ihrem Hund in Fortbildung gehen!
    • Zudem macht es natürlich inhaltlich Sinn, wenn entsprechende Trainer selbst über Fachkenntnis im therapeutischen/sozialen Bereich verfügen.
  • Anbieter von Fortbildungen „Tiergestützte Interventionen“ (dazu zählen Therapie, Pädagogik, Besuchs- und Schulhunde u.a.) sollten Sie als zukünftige Fachkraft auf den Erwerb des Sachkundenachweises §11 vorbereiten. Alles andere ist nicht mehr zeitgemäß. Ihre Behörde wird den Nachweis von Ihnen fordern.

Schlusswort

Nach all‘ diesen ernsten Worten und Ermahnungen, bleibt abschließen noch das Wichtigste zu sagen:

Die Arbeit mit einem souveränen Hund an der Seite, glückliche Klientenaugen und entspannte Einsätze, sind das Beste, was einem in einem sozialen Beruf passieren kann! Lassen Sie sich durch augenscheinliche Hürden nicht von diesem Traumjob abbringen! Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und Erfolg!

 

Kinder und Tiere bilden ein unschlagbares Team. Oder nicht?

Kein Zweifel, Kinder lieben Tiere. Kein Kind wird mit einer Aversion gegen Vierbeiner geboren, noch nicht einmal gegen Spinnen. Mitgebracht wird allerdings ein gesundes Warnsystem. So werden zum Beispiel die gelb-schwarzen Streifen einer Wespe instinktiv mit Gefahr assoziiert.

Anders ist es mit Hunden, Katzen, Pferden und sonstigen domestizierte Weggefährten des Menschen, sind zu Freunden geworden und tief mit der menschlichen Seele verbunden.

Kulturhistorisch gesehen wäre der Mensch ohne Tiere heute nicht dort wo er ist. Tiere halfen dem Menschen, zu überleben, Land zu besiedeln, Kriege zu gewinnen, sich über weite Strecken fortzubewegen. Menschen passten ihre Lebensverhältnisse an die Tiere ihrer Region an.

Asiatische und afrikanische Nomadenvölker wanderten mit ihren Tieren, während die Domestikation des Rindes dazu führte, dass die Menschen in unseren Breitengraden sesshaft werden konnten. Und innerhalb dieser jahrtausendealten Symbiose passten sich auch die Tiere dem Menschen an.

Unter ihnen ist der Hund das Tier, dass am längsten mit dem Menschen lebt. Gute 15.000 Jahre Erfahrung machen ihn zu dem Lebewesen, dass die menschliche Mimik und Gestik am besten lesen kann. Hunde kennen uns in- und auswendig. Und das, obwohl sie genetisch weitaus entfernter sind, als zum Beispiel Schimpansen.

Die Beziehung zu Tieren ist nicht nur praktischer Natur. Forscher der Universität Budapest haben nachgewiesen, dass Hunde sich ebenso an uns binden, wie wir uns an sie. Die Tests zeigten, dass ähnlich wie Kleinkinder, Hunde Stressreaktionen zeigten, wenn ihre Bezugsperson den Raum verlies. Die Bindung zwischen Tierhalter und hochsozialen Tieren wie Hunden, ist vergleichbar mit der Bindung zwischen Eltern und Kindern. Es wird deutlich, dass die Beziehung zu einem Tier vielschichtig sein kann und auf beiden Seiten intensive emotionale Reaktionen entstehen.

Umfangreiche Studien belegen heute die Wirkmechanismen von Tieren auf den Menschen. In enger Wechselwirkung stehen hierbei physische, psychische und soziale Effekte, die sich gegenseitig beeinflussen.

Das Zusammensein mit einem Hund oder Pferd macht tierliebende Menschen jeden Alters glücklich. Katzen schnurren ihre Menschen gesund, und auch Nutztiere nehmen -wenn man sie lässt- intensiv Anteil am Leben ihrer Menschen!

Das Geheimnis liegt dabei auch in der nonverbalen Kommunikation. Unser Hund kann uns lesen, reagiert auf unsere Körpersprache, oftmals sogar lange bevor wir uns unserer Stimmung bewusst sind.

Hunde begegnen uns vorurteilsfrei, für sie brauchen wir nicht perfekt sein – nur freundlich und ehrlich. Diese Umstände machen Hunde und andere Tiere so attraktiv für Kinder.

Wie wir in unserer Arbeit Tiere und Kinder in Interaktion miteinander bringen können, wie sich Begegnungen gestalten lassen, was beim Zusammenleben von Kind und Hund beachtet werden sollte sowie weitere Aspekte des Themas „Kind & Tier“ werden wir an dieser Stelle fortführen.

Über Ihr Feedback und spezielle Fragestellungen zum Thema würde ich mich freuen!